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Verkehrsrecht
Neuregelung des Schadensersatzes Am 1. August 2002 ist das
„Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften“
in Kraft getreten. Im Verkehrsrecht gilt es für Unfälle, die
sich nach dem 31.07.2002 ereignet haben. So werden die Abrechnungsmodalitäten
für Autofahrer ungünstiger, z.B. bekommen sie auf ein unrepariertes
Kfz keine Mehrwertsteuer. Außerdem sollen Verkehrsopfer besser gestellt
werden, etwa durch die Erhöhung der Haftungsgrenze für Kinder.
Schmerzensgeld ohne Verschulden Früher konnte eine verletzte Person gemäß dem zum Deliktsrecht zählenden § 847 BGB nur dann Schmerzensgeld beanspruchen, wenn der Schädiger beim Unfall vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hatte. Nun gilt im Straßenverkehrsrecht, dass die Haftung unabhängig vom Verschulden ist. Juristen sagen: Es besteht eine Gefährdungshaftung. Dem gemäß sieht § 11 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vor: „Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.“ Verletzte stehen also besser da als vor der Reform, denn sie müssen nicht mehr den oft schwierigen Beweis führen, dass der Schädiger schuldhaft gehandelt hat. Prozessuale Konsequenz: Die bisherige Unterscheidung zwischen Halter, Fahrer und Versicherer entfällt. Während man bislang nur den Fahrer belangen konnte, können nun alle drei auf Zahlung von Schmerzensgeld verklagt werden. Nebensächlich ist das Verschulden des Schädigers aber nicht. Denn es dürfte nach wie vor auch einen Maßstab für die Höhe des Schmerzensgeldes bilden — weil es dem Verletzten anerkannter Maßen auch Genugtuung verschaffen soll. Im Klageverfahren wirkt sich das so aus: Der Geschädigte sollte vor Gericht, wie bisher, alle Tatsachen vortragen und unter Beweis stellen, die ein Verschulden des Gegners begründen. Kann er dem Schädiger zumindest grob fahrlässiges Verhalten beweisen, wird das Schmerzensgeld wohl höher ausfallen als bei reiner Gefährdungshaftung des Kfz-Halters. Doch auch im umgekehrten Fall obliegt ihm die Beweislast: Selbst wenn - wie meist - nur leichte Fahrlässigkeit im Spiel ist, sollte der Anspruchsteller hierzu im Gerichtsverfahren vortragen; ansonsten setzt er sich dem Risiko aus, wegen Mithaftung und/oder Verschulden kein oder weniger Schmerzensgeld zu erhalten. Damit die in Anspruch genommenen Parteien bei reiner Kfz- Gefährdungshaftung nicht übermäßig belastet werden, hat der Gesetzgeber die Höhe des Schmerzensgeldes bei unverschuldeten Schädigungen gemäß § 12 StVG begrenzt. Überhaupt kein Schmerzensgeld gibt es - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung - wenn der Verletzte nach einem Verkehrsunfall alsbald verstirbt. Gleiches gilt für Schockfälle. Kein Schmerzensgeld gibt es auch im entgegengesetzten Fall, bei sogenannten Bagatellverletzungen wie dem häufigen HWS, Prellungen, Schürfungen, Zerrungen, Stauchungen oder kurzzeitigen Kopfschmerzen. Anders als im Gesetzgebungsverfahren geplant, hat der Gesetzgeber hier einen Schmerzensgeld nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Er appelliert aber in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14 / 8780) an die Gerichte, bei Bagatellverletzungen entsprechend den jüngsten Tendenzen der Rechtsprechung (so der BGH, abgedruckt: Neue Juristische Wochenschrift 1998, S. 810) kein Schmerzensgeld zuzusprechen. Besserstellung von Kindern Kinder zwischen dem siebten und dem vollendeten zehnten Lebensjahr sind nach dem neugefassten § 828 Abs. 2 BGB gegenüber früher doppelt bessergestellt. Zum einen brauchen sie sich auf eigene Schadenersatzansprüche kein Mitverschulden anrechnen zu lassen. Zum anderen sind sie für Schäden, die sie anderen Verkehrsteilnehmern fahrlässig zufügen, nicht verantwortlich. Anders als vor der Reform haften sie also nur bei Vorsatz — allerdings nur bei Unfällen mit Kfz und Schienenfahrzeugen. Mit anderen Worten: Bei Unfällen mit Radfahrern oder Fußgängern ist es möglich, dass Sieben- bis unter Zehnjährige mithaften. Bedenkt man, dass dieser Altersgruppe bisher regelmäßig in Mithaftung genommen wurden, ist die Reform eine fundamentale Besserstellung. Ältere Kinder, zwischen dem zehnten und dem vollendeten 18. Lebensjahr, sind nur unter zwei Voraussetzungen verantwortlich: Erstens müssen sie zum Zeitpunkt des Unfalls schuldfähig (d.h. einsichtsfähig) gewesen sein, zweitens muss ihnen im konkreten Fall zumindest Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Während letzteres der Verletzte zu beweisen hat, muss das Kind seine Schuldunfähigkeit selbst belegen. Verschärfung der Halterhaftung Bisher konnte der Unschuldige
am Unfall (Halter oder Fahrer) gemäß § 7 StVG nachweisen,
dass der Unfall für ihn unabwendbar war, d.h. dass er auch dem „Idealfahrer“
passiert wäre. Dies gilt jetzt nur noch gegenüber anderen motorisierten
Verkehrsteilnehmern, und auch nur im Rahmen des Haftungsausgleichs nach
§ 17 StVG. Gegenüber Fußgängern, Radfahrern, Inlineskatern
und Insassen (nicht nur entgeltlich beförderten!) dürfen Kfz-Halter
sich nicht mehr auf ein unabwendbares Ereignis berufen (können aber
wie bisher deren Mitverschulden einwenden!).
Die praktische Auswirkung
dieser verschärften Halterhaftung dürfte indes gering sein, haben
Gerichte doch bisher eher selten ein unabwendbares Ereignis bejaht (z.B.
Blitzeis, Ölspur, Bremsenversagen).
Neuabrechnung von Sachschäden Viele Unfallgeschädigte
rechnen mit der Versicherung „gemäß Unfallgutachten“ ab, ohne
ihr Kfz reparieren zu lassen. Vor der Reform musste die Haftpflichtversicherung
dem Geschädigten die im Gutachten veranschlagten Kosten einschließlich
der Mehrwertsteuer erstatten, auch wenn der Geschädigte nicht zum
Vorsteuerabzug berechtigt war. Dazu ist sie heute nur noch verpflichtet,
wenn die MwSt. tatsächlich angefallen ist, d.h. wenn der Geschädigte
das Kfz in der Werkstatt reparieren ließ ( § 249 Abs. 2 BGB).
Sonderprobleme der Mehrwertsteuer: Teil- und Eigenreparatur, Totalschaden Fall 1: Teilreparatur in
der Werkstatt:
Fall 2: Eigenreparatur mit
Gebraucht-/Billig-Neuteilen:
Fall 3: Eigenreparatur mit
Original-Neuteilen:
Fall 4: Totalschaden:
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